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Unternehmertum

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Was war zu tun?

Unser Ziel war es, die prägende Struktur

von Mittelstand und Familienunterneh-

men nicht unnötig zu belasten. Anders

als privates Kapital ist Betriebsvermö-

gen nicht frei verfügbar. Denn es dient

dazu, vorhandene Arbeitsplätze zu er-

halten und neue zu schaffen. Fließt die-

ses Betriebsvermögen als Steuer ab,

mindert das den Kapitalstock, der

Voraussetzung für den Betrieb und die

Arbeitsplätze des Unternehmens ist.

Von den 3,7 Millionen Unternehmen in

Deutschland sind 99 Prozent kleine und

mittlere Unternehmen. Sie stehen für 60

Prozent der Arbeitsplätze und der Wirt-

schaftsleistung und sogar 80 Prozent

der Auszubildenden. Mit dieser famili-

engeprägten Unternehmensstruktur ist

der Standort Deutschland einmalig. In

dünn besiedelten Gebieten sind diese

Unternehmen oft der größte Arbeitge-

ber mit dem höchsten Gewerbesteuer-

aufkommen.

1. Kleine Betriebe:

Für kleine Betriebe konnten wir die bis-

herigen Regeln erhalten, so dass wir sie

auch weiterhin von bürokratischen

Nachweispflichten entlasten: Wir haben

durchgesetzt, dass für Unternehmen mit

bis zu fünf Beschäftigten keine Auf-

zeichnungen erforderlich sind. Daneben

bleiben Saisonarbeiter, Beschäftigte in

Mutterschutz und Elternzeit, Langzeit-

kranke und Auszubildende unberück-

sichtigt.

2. Mittlere Betriebe:

Für Mittelbetriebe bleiben die Regelun-

gen weitgehend unverändert. Voraus-

setzung für die Verschonung zu 100

Prozent bzw. 85 Prozent von der Be-

steuerung ist wie bisher das Bei-

behalten der bestehenden Arbeitsplätze

über sieben bzw. fünf Jahre. Werden die-

se Voraussetzungen eingehalten, ist das

begünstigte Betriebsvermögen bis zu

einem Wert von 26 Millionen Euro ohne

weitere Prüfung von der Besteuerung

befreit.

Verwaltungsvermögen kann nun mit ei-

nem Anteil von bis zu 10 Prozent wie

begünstigtes Vermögen behandelt wer-

den. Um die Liquidität des Unterneh-

mens nicht zu gefährden, gilt Gleiches

für Geld und Geldforderungen mit ei-

nem Anteil von bis zu 15 Prozent des

Betriebsvermögens. Auch konnten wir

wird mit Erbschaftsteuer deutlicher be-

lastet.

Bundesrat

Mit der nun beschlossenen Einigung

schützen wir den Bestand der mittel-

ständischen Unternehmen und garan-

tieren den Erhalt bestehender Arbeits-

plätze. Aus einigen Bundesländern

kommt heftige Kritik. Dabei haben wir

die Länder mehrfach gebeten, im Bun-

desrat einen eigenen Vorschlag vorzu-

legen. Denn die Erbschaftsteuer ist eine

Ländersteuer. Bis heute konnten sich

die Länder allerdings nicht auf einen

Vorschlag einigen.

Ob der Bundesrat dem Gesetz am 8. Juli

zustimmt, ist noch offen. Abgesehen von

Baden-Württemberg haben die Grünen

signalisiert, den Vermittlungsausschuss

anrufen zu wollen.

Thüringen

Allein mit der Erhöhung von 3 auf 5 Be-

schäftigte beim Verzicht auf die Lohn-

summenkontrolle konnten wir noch

einmal weitere rund 30.000 Thüringer

Betriebe von unnötiger Bürokratie be-

freien. Insbesondere die ca. 31.000

Handwerksunternehmen im Freistaat

profitieren von der Regelung.

Das Feedback aus den Reihen der Fa-

milienunternehmer freut mich. Das Res-

umee der Westthüringer Regionalvor-

sitzenden der Familienunternehmer

Colette Boos-John – Geschäftsführerin

der Bauer Bauunternehmen GmbH in

Walschleben–werte ich auch als Erfolg

unserer hart geführten Verhandlungen:

„Thüringen ist geprägt von zahlreichen

vor allem kleineren Familienunter-

nehmen. Historisch bedingt sind in

Thüringen Familienunternehmerstruk-

turen noch im Aufbau. Viele Betriebe

existieren erst seit den 90er Jahren. Es

wäre fatal, wenn diese schon bei der

Übertragung auf die zweite Generation

unnötig gefährdet würden. Positiv ist,

dass Verfügungsbeschränkungen bei

der Anteilsweitergabe, die Arbeitsplätze

sichern, als Steuerbefreiung berücksich-

tigt werden. Daneben wird Verwaltungs-

vermögen bis zu 10 Prozent wie Be-

triebsvermögen behandelt, das ist

großzügig und erspart kleinliche Strei-

tereien mit der Finanzverwaltung.“

erreichen, dass zum Zwecke des Absatzes eigener

Produkte verpachtete Grundstücke wie Brauereien und

Tankstellen künftig zum begünstigten Vermögen zäh-

len.

3. Große Betriebe:

Vor allem für große Unternehmen mit einem begüns-

tigten Vermögen von über 26 Millionen Euro pro Erbe

wird es Änderungen geben. Das Gericht hatte uns auf-

gegeben, hier stärker hinzuschauen, ob es einer Be-

günstigung überhaupt bedarf. Der Erbe kann entweder

einen Verschonungsabschlag wählen. Die Steuerbe-

freiung vermindert sich mit der Höhe des erhaltenen

Vermögens. Bei Erbschaften ab 90 Millionen Euro gibt

es keinen Freibetrag mehr.

Alternativ kann der Erbe sich auch für eine individu-

elle Bedürfnisprüfung entscheiden, die das Privat-

vermögen des Erwerbers zur Hälfte einbezieht. Zahlt

der Erbe 50 Prozent seines Privatvermögens an

Steuern, wird der Restbetrag der Steuern erlassen.

Bei familiengeführten Betrieben ist wichtig, die beson-

deren Strukturen dieser Unternehmen bei der Be-

steuerung zu berücksichtigen. Hier wird in Genera-

tionen gedacht und das Kapital langfristig aufgebaut.

Die Gesellschafter sind deshalb in der Gewinnver-

wendung und Handelbarkeit der Anteile stark be-

schränkt. Die Unternehmensbeteiligung hat daher

nicht den gleichen Wert, wie er bei einem freien

Unternehmen zu erzielen wäre. Dem tragen wir mit ei-

nem Abschlag bei der Anteilsbewertung Rechnung.

Dieser Abschlag darf maximal 30 Prozent betragen.

Die beschränkenden Regelungen im Gesellschafts-

vertrag müssen 2 Jahre vor sowie 20 Jahre nach dem

Übertragungsfall bestehen.

Zur Sicherung von Arbeitsplätzen sind Investitionen

ins Unternehmen unerlässlich. Diese dürfen durch die

Erbschaftsteuer nicht behindert werden. Die Union

konnte durchsetzen, dass diejenigen Mittel, die ent-

sprechend dem Willen des Erblassers innerhalb von

zwei Jahren in Betriebsvermögen investiert werden,

steuerlich begünstigt werden.

Eine Gefahr für den Bestand von Betrieben ist die auf-

grund der Niedrigzinsphase realitätsferne Bewertung.

Den sog. Kapitalisierungsfaktor, der momentan das

17,86-Fache des Jahresertrags beträgt, senken wir nun

auf einen Korridor von 10 bis 12,5.

Wer trotz all dieser Maßnahmen die Erbschaftsteuer

nicht zahlen kann, kann eine bis zu 10-jährige voraus-

setzungslose und zinslose Stundung der auf das be-

günstigte Vermögen entfallenden Steuer in Anspruch

nehmen.

Wer künftig ein großes Betriebsvermögen erbt und

gleichzeitig auch Privatvermögen erbt oder besitzt,