Unternehmertum
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Gesundheitsschutz
in der Arbeitswelt 4.0
Werden künftig Roboter unsere Arbeit erledigen? Welchen Platz hat der Mensch
in den Fabriken und Büros der Zukunft? Bleibt ihm überhaupt noch ein Platz
an den Werkbänken und Schreibtischen?
„Die Arbeitswelt wandelt sich tiefgrei-
fend und rasant“, sagt Prof. Dr. Klaus
Dörre von der Universität Jena. Als
Stichpunkte nennt der Arbeitssoziologe
die zunehmende Digitalisierung und
Vernetzung von Produktions- und
Dienstleistungsprozessen, die gegen-
wärtig unter dem Schlagwort „Industrie
4.0“ vorangetrieben werden. In einem
Kooperationsprojekt wollen vier deut-
sche Hochschulen nun gemeinsam mit
Technologienetzwerken und Unterneh-
men erforschen, vor welchen Herausfor-
derungen die betriebliche Gesundheits-
förderung angesichts der Zukunft der
Arbeit steht.
Das Projekt „Gesunde Arbeit in Pionier-
branchen“ (GAP) wird für drei Jahre vom
Bundesforschungsministerium
mit
knapp zwei Millionen Euro gefördert. Beteiligt sind ne-
ben der Universität Jena die TU Dresden, die Univer-
sität Greifswald und die Ernst-Abbe-Hochschule Jena.
Als Industriepartner konnten die Technologienetz-
werke „OptoNet“ und „Silicon Saxony“ sowie die zwei
Unternehmen Präzisionsoptik Gera (POG) und die
Handhabungs-, Automatisierungs- und Präzisions-
technik GmbH Dresden (HAP) gewonnen werden.
Ziel des Verbundprojekts, das von den Arbeitssozio-
logen der Universität Jena koordiniert wird, ist es, ins-
besondere klein- und mittelständischen Unternehmen
den Weg in Richtung „Industrie 4.0“ zu erleichtern. Wie
Projektmitarbeiter Thomas Engel sagt, sollen u. a. eine
betriebliche Toolbox mit arbeitsmedizinischen Instru-
menten, ein Manual zur Umsetzung der Netzwerk-
koordination sowie ein Fallstudienarchiv entstehen.
„Wir konzentrieren uns auf die Pionierbranchen Pho-
tonik, Halbleitertechnik und Windenergie“, sagt Tho-
mas Engel, „weil dort eine besondere
Wachstumsdynamik erwartbar ist.“ Ge-
sundheitsschutz ist in einem solchen
Umfeld – mittelständisch geprägt, mit
optimistischen Aussichten und konfron-
tiert von umfassenden Digitalisierungs-
prozessen – schwierig umzusetzen.
In der Toolbox werde es Checklisten für
Sicherheitsfachkräfte geben, Fragebö-
gen für den Betriebsrat, um Belastungs-
profile der Mitarbeiter erkennen zu kön-
nen und Hinweise, um Gefährdungen
der Arbeitnehmer zu beurteilen. Neben
der klassischen Vermeidung von Ar-
beitsunfällen werde ein Hauptaugen-
merk auf neuartige Belastungen gerich-
tet: „Gefährdungspotenzial gibt es durch
den erhöhten Zeit- und Leistungsdruck
sowie durch die Entgrenzung der Ar-
beitszeit“, so Thomas Engel. Zu konsta-
tieren sei einerseits ein Rückgang phy-
sischer Belastungen und zugleich ein
Anstieg von Faktoren, die die Psyche
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
belasten können.
In einem ersten Schritt sollen Fallstu-
dien erstellt werden, für die die Wis-
senschaftler direkt in die Betriebe ge-
hen werden. Dabei soll etwa erforscht
werden, wie Mitarbeiter reagieren, die
neue Aufgabenfelder bearbeiten müs-
sen. In manchen Betrieben gibt es z. B.
inzwischen Lager, die völlig ohne Men-
schen auskommen. Dort bleibt ihnen
nur noch die Aufgabe, den reibungslo-
sen Betrieb zu überwachen.
Das Verbundprojekt, das gerade gestar-
tet wurde, bietet den klein- und mittel-
ständischen Unternehmen die Chance,
den Übergang zur „Industrie 4.0“ mög-
lichst unkompliziert zu schaffen. Dass
sie sich dieser Herausforderung stellen
müssen, davon sind die Wissenschaftler
im Projekt GAP überzeugt. (sl)
www.uni-jena.de