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Unternehmertum

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Foto: Alexander Raths/fotolia

Der flächendeckende Mindestlohn hat in Deutschland eine größere Reichweite entfaltet, als im Vorfeld erwartet

wurde. Dass es dennoch bislang zu keinem massiven Stellenabbau gekommen ist, dürfte den vielfältigen alterna-

tiven Anpassungsreaktionen der Unternehmen und der guten konjunkturellen Arbeitsmarktlage zu verdanken

sein. Dies sind die zentralen Ergebnisse umfangreicher Forschungsarbeiten des ifo Instituts basierend auf dem ifo-

Konjunkturtest und einer gesonderten Betriebsbefragung in der gewerblichen Wirtschaft des Freistaats Sachsen.

Die Reichweite des Mindestlohns

wurde unterschätzt

„Die Reichweite des Mindestlohns en-

det bereits heute nicht bei 8,50 Euro je

Stunde. Der Kostendruck auf die Unter-

nehmen dürfte demnach höher sein, als

bislang in den maßgeblichen Schätzun-

gen berücksichtigt wurde“, erläutert

Michael Weber, Arbeitsmarktforscher in

der Dresdner Niederlassung des ifo

Instituts.

Zu der höheren Reichweite des Min-

destlohns dürfte beigetragen haben,

dass sich viele Unternehmen genötigt

sahen, den Lohnabstand zwischen

Hoch- und Geringqualifizierten auch

nach Einführung des Mindestlohns auf-

rechtzuerhalten. In einer vom ifo Ins-

titut begleiteten Sonderumfrage in der

gewerblichen Wirtschaft gab jeder drit-

te vom Mindestlohn betroffene Betrieb

an, auch Löhne oberhalb der Grenze von 8,50 Euro je

Stunde mindestlohnbedingt angehoben zu haben.

Jeder zehnte Betrieb war nach eigener Aussage allein

wegen solcher Mindestlohneffekte auf die höheren

Lohngruppen vom Mindestlohn betroffen. Ergänzende

Befragungen im Rahmen des ifo-Konjunkturtests zei-

gen, dass 13 Prozent der ostdeutschen und sogar

17 Prozent der westdeutschen Unternehmen die eige-

ne Betroffenheit vom Mindestlohn vor der Einführung

der Lohnuntergrenze unterschätzt haben.

Die betroffenen Unternehmen reagierten auf die Kos-

tensteigerungen vielfältig: Sie erhöhten ihre Preise,

stellten Investitionen zurück, kürzten die Arbeitszeit

ihrer Beschäftigten oder strichen Sonderzahlungen.

Soweit möglich, versuchten die Unternehmen einen

Stellenabbau kurzfristig zu vermeiden. Gleichwohl

sind bereits im ersten Jahr nach der Einführung des

flächendeckenden Mindestlohns deutliche mindest-

lohnbedingte Rückgänge in der Einstellungsbereit-

schaft der Unternehmen zu beobachten.

Am stärksten sind die Beschäftigungs-

wirkungen bei den Geringqualifizierten.

Die Ergebnisse beruhen auf einer Be-

triebsbefragung in der gewerblichen

Wirtschaft des Freistaats Sachsen im

Februar 2016, an der sich insgesamt

2.668 Betriebe beteiligten, sowie auf

dem ifo-Konjunkturtest, an dem monat-

lich ca. 7.000 Unternehmen des verar-

beitenden Gewerbes, des Bauhaupt-

gewerbes, des Großhandels und des

Einzelhandels teilnehmen. (em/tl)

Die Beiträge im Netz:

http://tinyurl.com/gq77vk8 http://tinyurl.com/z4w935c